- Fusionmusic
- Fusionmusic[englisch/amerikanisch, 'fjuːdʒən'mjuːzɪk], auch Electric Jazz, Cross-over-Jazz oder Rockjazz, um 1970 in den USA aufgekommene Richtung im Jazz, die sich, angeregt durch die parallele Entwicklung des Jazzrock und als Reaktion auf die sich abzeichnende Esoterik des Free Jazz, um eine stilistische Synthese von Jazz und Rockmusik bemühte. Die Bezeichnung dafür ist von der Tonträgerindustrie geprägt worden und war durch kommerzielle Erwägungen motiviert — der Begriff ist neutral genug, um keine der potenziellen Käufergruppen abzuschrecken.Die ersten Annäherungsversuche von Jazzmusikern an die Rockmusik gab es bereits in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre mit dem Gary Burton Quartet und dem Charles Lloyd Quartet, die sich jedoch noch auf rhythmische Elemente sowie das Experimentieren mit einer elektrisch verstärkten Rockgitarre beschränkten und weder bei den Jazzfreunden noch bei den Rockfans auf Verständnis stießen. Den Durchbruch brachte erst das 1970 erschienene Doppelalbum »Bitches Brew« von Miles Davis (1926-1991), das einen enthusiastisch gefeierten Versuch der Integration der Rockstilistik in den Jazz darstellte. Die Basis dafür war eine durchgängige Elektrifizierung des Instrumentariums in der Art der Rockgruppen, die Nutzung der im Rock entwickelten Sound-Effekte zur Klanggestaltung, eine deutliche Markierung tonaler Schwerpunkte in den melodisch prägnanten ostinaten Bassfiguren und eine Vereinfachung der rhythmischen Strukturen durch eine wieder durchgeschlagene 8/8-Beat-Begleitung im Schlagzeug. Auf dieser Grundlage, die bereits mit dem 1969 erschienenen Album »In a Silent Way« vorbereitet worden war, entwickelte Davis ein kollektives Improvisationskonzept, das die im Jazz verbreiteten Spielweisen auf das nunmehr elektrisch verstärkte Instrumentarium übertrug und den sich daraus ergebenden neuen musikalischen Möglichkeiten nachging. Das sollte zu einem Wendepunkt werden, der der weiteren Entwicklung den Weg wies. Diese wurde dann fast ausnahmslos von ehemaligen Mitgliedern der Miles Davis Group angeführt, die auch an der Produktion von »In a Silent Way« bzw. »Bitches Brew« mitgewirkt hatten. Gitarrist John McLaughlin (* 1942) stellte 1971 sein Mahavishnu Orchestra zusammen, mit dem ihm auf »The Inner Mounting Flame« (1972) die überzeugendste Synthese von Rockmusik und Jazz gelang. Pianist Joe Zawinul (* 1932) und Saxophonist Wayne Shorter (* 1933) gründeten 1971 Weather Report, eine ausgesprochen experimentierfreudige Formation, deren fließende Improvisationen und intensive Rhythmuskomplexe neue Impulse einbrachten. Am kommerziell erfolgreichsten erwiesen sich jedoch die Konzepte der beiden Pianisten Chick Corea (* 1941) und Herbie Hancock (* 1940), die Miles Davis mit einer spektakulären Kombination von zwei E-Pianos bekannt gemacht hatte und die dann jeder ihren eigenen Weg gingen. Herbie Hancock erreichte mit seiner 1971 als Sextett gegründeten Formation in wechselnder Besetzung, ab 1973 als Quintett, eine für den Jazzbereich ungewöhnliche Popularität, die ihm 1974 für »Head Hunters« seine erste Goldene Schallplatte einbrachte. Chick Corea formierte 1972 die Gruppe Return to Forever, mit der er nicht minder erfolgreich auf John McLaughlins Konzept aufbaute.Inzwischen nehmen Rock-Jazz-Synthesen einen breiten Raum im Jazz ein. Ihren spektakulären Charakter haben sie verloren, erwiesen sich dafür aber als ein legitimer Bestandteil der Entwicklung des zeitgenössischen Jazz.
Universal-Lexikon. 2012.